Kanzlerin Merkel hat in Berlin zum Spitzentreffen gegen
Jugendarbeitslosigkeit geladen. Es ist der falsche Ort und das falsche
Thema, kommentiert Marlies Uken.
Um skurrile Abkürzungen ist Europa nicht verlegen: Hopes heißt das neue EU-Netzwerk, in dem sich die Chefs der nationalen Arbeitsagenturen künftig austauschen und koordinieren: Heads of Public Employment Services.
Das Ziel: Die Jugendarbeitslosigkeit in der EU soll gesenkt werden. Hopes ist aber in Wirklichkeit nichts Neues. Schon seit mehr als sechs Jahren treffen sich die Chefs der europäischen Arbeitsagenturen regelmäßig und sprechen über sinnvolle Maßnahmen, die Arbeitslosigkeit in Europa zu senken. Nun heißt diese Runde eben Hopes und soll sich primär Jugendlichen widmen.
Bislang haben die Gesprächsrunden so gut wie nichts erreicht. Der Geschäftsbericht 2012 der Bundesagentur für Arbeit nennt genau zwei Projekte, bei denen auf europäischer Ebene zusammengearbeitet wurde: Man habe die Basis gelegt für eine intensive Unterstützung der griechischen Arbeitsverwaltung und die Zusammenarbeit mit Spanien intensiviert.
Eine maue Bilanz für eine bereits seit sechs Jahren existierende Kooperation. Warum sollte der heutige Gipfel im Kanzleramt bessere Ergebnisse bringen? Die Erwartungen, welche Kanzlerin Merkel, Frankreichs Präsident Hollande und die Vertreter der EU-Institutionen heute in Berlin geweckt haben, sind enorm.
Austausch gibt es bereits
Natürlich ist es richtig, dass sich die EU-Staaten austauschen, ihre Ausbildungssysteme vergleichen und überlegen, was sie von einander lernen können.
Doch all das passiert bereits in den verschiedensten Gremien, ob EU-Kommission oder OECD. Und in der Regel lautet das Ergebnis: Liebe Südeuropäer, macht es wie Deutschland, baut ein duales Ausbildungssystem auf. So gut das deutsche System auch ist, so einfach lässt es sich nicht auf andere EU-Länder übertragen. Ganz abgesehen davon, dass eine solche Maßnahme kurzfristig nichts an der Situation in Spanien, Griechenland und Italien ändern würde.
Die Konferenz in Berlin sollte ein "Gipfel der Praktiker" sein, betonen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und die Kanzlerin. Doch tatsächlich war es wohl ein Gipfel des schlechten Gewissens. Deutschland, das von den Krisenstaaten harte Reformen verlangt und damit mitverantwortlich ist dafür, dass in Südeuropa immer mehr Menschen ohne Job sind, lädt nun zum Treffen gegen Arbeitslosigkeit. Aber leider nicht in Madrid oder Athen, sondern in Berlin. Der Gipfel findet damit in dem Land statt, in dem die wenigsten Jugendlichen ohne Arbeit sind und manch ein Ausbildungsplatz sogar mangels Bewerber unbesetzt bleibt. Absurd.
Vor nicht einmal einer Woche tagten bereits die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel zum gleichen Thema. Das Ergebnis: Die Krisenstaaten erhalten mindestens sechs Milliarden Euro, auf zwei Jahre verteilt. Wie wenig das ist, zeigt ein Blick in die Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Die finanzierte im vergangenen Jahr für 830.000 Menschen eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme – für insgesamt 11,5 Milliarden Euro.
Das ist kein Plädoyer für mehr Geld, damit allein werden die Probleme nicht gelöst. Auch strukturelle Reformen sind wichtig. Aber am wichtigsten ist, dass die Unternehmen in Europa wieder Vertrauen fassen und investieren. Nur so werden Jobs geschaffen. Der Gipfel im Kanzleramt kann dazu nur wenig bis gar nichts beitragen.
http://www.zeit.de
3/7/13
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Um skurrile Abkürzungen ist Europa nicht verlegen: Hopes heißt das neue EU-Netzwerk, in dem sich die Chefs der nationalen Arbeitsagenturen künftig austauschen und koordinieren: Heads of Public Employment Services.
Das Ziel: Die Jugendarbeitslosigkeit in der EU soll gesenkt werden. Hopes ist aber in Wirklichkeit nichts Neues. Schon seit mehr als sechs Jahren treffen sich die Chefs der europäischen Arbeitsagenturen regelmäßig und sprechen über sinnvolle Maßnahmen, die Arbeitslosigkeit in Europa zu senken. Nun heißt diese Runde eben Hopes und soll sich primär Jugendlichen widmen.
Bislang haben die Gesprächsrunden so gut wie nichts erreicht. Der Geschäftsbericht 2012 der Bundesagentur für Arbeit nennt genau zwei Projekte, bei denen auf europäischer Ebene zusammengearbeitet wurde: Man habe die Basis gelegt für eine intensive Unterstützung der griechischen Arbeitsverwaltung und die Zusammenarbeit mit Spanien intensiviert.
Eine maue Bilanz für eine bereits seit sechs Jahren existierende Kooperation. Warum sollte der heutige Gipfel im Kanzleramt bessere Ergebnisse bringen? Die Erwartungen, welche Kanzlerin Merkel, Frankreichs Präsident Hollande und die Vertreter der EU-Institutionen heute in Berlin geweckt haben, sind enorm.
Austausch gibt es bereits
Natürlich ist es richtig, dass sich die EU-Staaten austauschen, ihre Ausbildungssysteme vergleichen und überlegen, was sie von einander lernen können.
Doch all das passiert bereits in den verschiedensten Gremien, ob EU-Kommission oder OECD. Und in der Regel lautet das Ergebnis: Liebe Südeuropäer, macht es wie Deutschland, baut ein duales Ausbildungssystem auf. So gut das deutsche System auch ist, so einfach lässt es sich nicht auf andere EU-Länder übertragen. Ganz abgesehen davon, dass eine solche Maßnahme kurzfristig nichts an der Situation in Spanien, Griechenland und Italien ändern würde.
Die Konferenz in Berlin sollte ein "Gipfel der Praktiker" sein, betonen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und die Kanzlerin. Doch tatsächlich war es wohl ein Gipfel des schlechten Gewissens. Deutschland, das von den Krisenstaaten harte Reformen verlangt und damit mitverantwortlich ist dafür, dass in Südeuropa immer mehr Menschen ohne Job sind, lädt nun zum Treffen gegen Arbeitslosigkeit. Aber leider nicht in Madrid oder Athen, sondern in Berlin. Der Gipfel findet damit in dem Land statt, in dem die wenigsten Jugendlichen ohne Arbeit sind und manch ein Ausbildungsplatz sogar mangels Bewerber unbesetzt bleibt. Absurd.
Vor nicht einmal einer Woche tagten bereits die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel zum gleichen Thema. Das Ergebnis: Die Krisenstaaten erhalten mindestens sechs Milliarden Euro, auf zwei Jahre verteilt. Wie wenig das ist, zeigt ein Blick in die Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Die finanzierte im vergangenen Jahr für 830.000 Menschen eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme – für insgesamt 11,5 Milliarden Euro.
Das ist kein Plädoyer für mehr Geld, damit allein werden die Probleme nicht gelöst. Auch strukturelle Reformen sind wichtig. Aber am wichtigsten ist, dass die Unternehmen in Europa wieder Vertrauen fassen und investieren. Nur so werden Jobs geschaffen. Der Gipfel im Kanzleramt kann dazu nur wenig bis gar nichts beitragen.
http://www.zeit.de
3/7/13
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Jugendarbeitslosigkeit: Milliarden für nichts...Berlin bekämpft die Jugendarbeitslosigkeit. Doch es geht nicht nur um die Jugend.....
ReplyDeleteFast zwei Dutzend Regierungschefs und noch mehr Minister sind nach Berlin gekommen, um unter Anleitung von Ursula von der Leyen und Angela Merkel darüber zu diskutieren, wie die mehr als drei Millionen Arbeitslosen unter 25 Jahren in Europa wieder eine Perspektive erhalten können. Doch von dem Gipfel wird außer ein paar schönen Bildern nicht viel bleiben – und das liegt daran, dass man sich das falsche Thema ausgesucht hat. Europas Problem ist nicht die Jugendarbeitslosigkeit.
Aber ist es nicht ein Skandal, dass in den Euro-Staaten sehr viele junge Leute ohne Job sind? Das ist es in der Tat, aber es sind auch sehr viel ältere Leute ohne Job, und auch das ist ein Skandal. Womöglich ist die Arbeitslosigkeit für einen Familienvater mit zwei Kindern einschneidender als für einen Universitätsabsolventen. Es gibt aber keine Gipfel für arbeitslose Familienväter.
Doch hier soll es nicht darum gehen, die Jungen gegen die Alten auszuspielen, sondern darum, das Problem richtig zu diagnostizieren. Denn von der Diagnose hängt die Wahl der Therapie ab. Ein Indiz dafür, dass Europa ein Problem mit der Jugendarbeitslosigkeit hat, wäre, wenn vor allem die Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen in die Höhe geschossen wäre. Darauf müsste die Politik mit speziellen Angeboten für Jugendliche reagieren, zum Beispiel mit neuen Ausbildungsprogrammen.
Das ist aber nicht der Fall. Es ist zunächst einmal gar nicht so ungewöhnlich, dass Jugendliche sich auf dem Arbeitsmarkt schwertun, weil sie sich nach der Ausbildung erst orientieren müssen. In fast allen Industrienationen – auch in solchen ohne Krise – ist die Quote der Jugendarbeitslosigkeit etwa doppelt so groß wie die Arbeitslosenquote insgesamt.
Überflüssig und langfristig schädlich
In den Krisenstaaten Südeuropas hat die Jugendarbeitslosigkeit zuletzt zwar über das normale Maß hinaus zugenommen – sie stieg dabei aber stets im Gleichschritt mit der Arbeitslosigkeit in der Gesamtbevölkerung an. In Italien erhöhte sich der Anteil der jungen Menschen ohne Job zwischen 2010 und 2012 um 27 Prozent, die Arbeitslosenquote insgesamt ging um 26 Prozent nach oben. In Griechenland betrug der Zuwachs bei den Jungen 70 Prozent, insgesamt stieg die Quote sogar um 90 Prozent.
Europa hat also kein Problem der Jugendarbeitslosigkeit, sondern ein Arbeitslosigkeitsproblem. Nicht die schlechte Ausbildung macht so vielen jungen Leuten in Italien oder Spanien den Einstieg ins Berufsleben unmöglich – es fehlen schlicht die Jobs.......http://www.zeit.de/2013/28/jugendarbeitslosigkeit-berlin
13/7/13