Athens Reformen reichen nicht: Um
attraktiv für (private) Investoren zu werden, muss das Land es leichter
machen, Unternehmen zu gründen, Eigentum schützen und noch viel
Bürokratie abbauen.
Von Alexander Kritikos*
Dabei schienen die jüngsten Reformen erste Früchte zu tragen. Erfolge wurden bei der Reduzierung des laufenden Staatsdefizits, des Leistungsbilanzdefizits und der Lohnstückkosten verzeichnet. Das hatte allerdings seinen Preis. Die Wirtschaftsleistung ist in fünf Jahren um 25 Prozent gefallen. Die Arbeitslosenquote von 27 Prozent, wobei vor allem zwei von drei jungen Menschen derzeit keinen Job haben, spiegelt die Folgen der Austeritätspolitik der vergangenen Jahre wider.
Um Tritt zu fassen, braucht das Land Investitionen. Die aber bleiben aus. Mit wenigen Ausnahmen wie den Computerunternehmen SAP und HP meiden ausländische wie griechische Privatinvestoren das Land. Jüngster Beweis: der gescheiterte Versuch zur Privatisierung des staatlichen Erdgas-Konzerns Depa, nachdem sich der einzige Interessent, die russische Gasprom, gegen dessen Erwerb entschieden hat.
Inzwischen appelliert die griechische Regierung an ihre Partner, sie hätten nun die moralische Verpflichtung, in das Land zu investieren. Aber wie so oft wird auch dieser Appell ungehört verhallen. Vielmehr führt das zur Frage, warum sich Investoren von Griechenland fernhalten? Anlageentscheidungen hängen, stark vereinfacht, von den erwartbaren Renditen der Investitionsmöglichkeiten und den damit verbundenen Risiken ab. Und hier gilt es, den Fokus neben den unternehmerischen Risiken auf die institutionellen Rahmenbedingungen eines Landes und den damit verbundenen Risiken zu legen.
Griechenlands Rahmenbedingungen für Investoren waren schon vor der Krise katastrophal. Im Jahr 2010 plazierte die Weltbank in ihrem Indikator zum „Ease of Doing Business“ Griechenland nur auf dem Rang 109 von 183 Ländern, als Schlusslicht in der EU. Die verabschiedeten Reformpakete sollten dieser Problematik Rechnung tragen. Die gute Nachricht: tatsächlich gab es Fortschritte. OECD und Weltbank berichten unisono von schrittweisen Verbesserungen, etwa beim Investorenschutz und dem Insolvenzrecht. Dank dieser Reformen sieht sich Griechenland nun im Ranking der Weltbank auf Platz 78.
Die schlechte Nachricht: Die Reformen reichen bei weitem nicht, um das Land attraktiv für Investitionen zu machen. Vor allem die endlosen bürokratischen Hürden für die Gründung neuer Unternehmen, für den Schutz geistigen Eigentums, für die Eintragung von privaten und gewerblichen Eigentums und für den Erwerb von Rendite abschöpfenden Lizenzen und behördlichen Genehmigungen sind es, die hoch geblieben sind. Hier befindet sich Griechenland mit den Plätzen 146 und 150 der jeweiligen Weltbank-Subindikatoren - in guter Gesellschaft mit Ländern wie Malawi, Uganda und Simbabwe.
Will also die griechische Regierung das unternehmerische Potential ihrer Landsleute besser nutzen, die notwendige Privatisierung staatlicher Betriebe ernsthaft vorantreiben und Auslandsinvestitionen ins Land locken, so wird sie ihre Reformen fortsetzen und die Bürokratie- und Regulierungsdichte reduzieren müssen. Dass sich solche Reformen realisieren lassen, haben Länder wie Irland und zuletzt Polen vorgemacht, deren Ökonomien - bei allen Rückschlägen in der Euro-Krise - von diesen Reformen profitiert haben.
Nun hat sich die griechische Regierung durch die Schließung des Staatsrundfunks unnötigerweise selbst geschwächt. Bleibt nur zu hoffen, dass sie für die weiteren Reformen noch die Kraft hat, um im MSCI-Index wieder den Weg zurück zu den Industrienationen zu finden.
***Der Autor Alexander Kritikos ist Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.
http://www.faz.net
9/7/13
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ΣΧΕΤΙΚΟ:
Von Alexander Kritikos*
Griechenland hatte es zuletzt geschafft, aus den
negativen Schlagzeilen herauszukommen. Nun plötzlich häufen sich wieder
die schlechten Nachrichten: Die handstreichartige Schließung des Staatsrundfunks
- Novum im demokratischen Europa - führte zu einer virulenten
Regierungskrise. Fraglich, wie lange und mit welcher Durchschlagskraft
die wohl verbleibende Rumpfregierung nach Austritt der „Demokratischen
Linken“ wird weiter regieren können. Gleichzeitig wurde Griechenland in
dem von Morgan Stanley herausgegebenen Aktienindex MSCI auf
Schwellenlandstatus herabgestuft. Auch ein Novum: Dieser Status ist
eigentlich aufstrebenden Entwicklungsländern mit überproportionalen
Wachstumsraten und nicht abstürzenden Industrienationen vorbehalten. Und
der von der Troika eingeforderte Privatisierungsprozess, der einst 50
Milliarden Euro in die Kassen des griechischen Staatshaushalts spülen
sollte, kommt auch nicht so recht in Gang.
Dabei schienen die jüngsten Reformen erste Früchte zu tragen. Erfolge wurden bei der Reduzierung des laufenden Staatsdefizits, des Leistungsbilanzdefizits und der Lohnstückkosten verzeichnet. Das hatte allerdings seinen Preis. Die Wirtschaftsleistung ist in fünf Jahren um 25 Prozent gefallen. Die Arbeitslosenquote von 27 Prozent, wobei vor allem zwei von drei jungen Menschen derzeit keinen Job haben, spiegelt die Folgen der Austeritätspolitik der vergangenen Jahre wider.
Um Tritt zu fassen, braucht das Land Investitionen. Die aber bleiben aus. Mit wenigen Ausnahmen wie den Computerunternehmen SAP und HP meiden ausländische wie griechische Privatinvestoren das Land. Jüngster Beweis: der gescheiterte Versuch zur Privatisierung des staatlichen Erdgas-Konzerns Depa, nachdem sich der einzige Interessent, die russische Gasprom, gegen dessen Erwerb entschieden hat.
Inzwischen appelliert die griechische Regierung an ihre Partner, sie hätten nun die moralische Verpflichtung, in das Land zu investieren. Aber wie so oft wird auch dieser Appell ungehört verhallen. Vielmehr führt das zur Frage, warum sich Investoren von Griechenland fernhalten? Anlageentscheidungen hängen, stark vereinfacht, von den erwartbaren Renditen der Investitionsmöglichkeiten und den damit verbundenen Risiken ab. Und hier gilt es, den Fokus neben den unternehmerischen Risiken auf die institutionellen Rahmenbedingungen eines Landes und den damit verbundenen Risiken zu legen.
Griechenlands Rahmenbedingungen für Investoren waren schon vor der Krise katastrophal. Im Jahr 2010 plazierte die Weltbank in ihrem Indikator zum „Ease of Doing Business“ Griechenland nur auf dem Rang 109 von 183 Ländern, als Schlusslicht in der EU. Die verabschiedeten Reformpakete sollten dieser Problematik Rechnung tragen. Die gute Nachricht: tatsächlich gab es Fortschritte. OECD und Weltbank berichten unisono von schrittweisen Verbesserungen, etwa beim Investorenschutz und dem Insolvenzrecht. Dank dieser Reformen sieht sich Griechenland nun im Ranking der Weltbank auf Platz 78.
Die schlechte Nachricht: Die Reformen reichen bei weitem nicht, um das Land attraktiv für Investitionen zu machen. Vor allem die endlosen bürokratischen Hürden für die Gründung neuer Unternehmen, für den Schutz geistigen Eigentums, für die Eintragung von privaten und gewerblichen Eigentums und für den Erwerb von Rendite abschöpfenden Lizenzen und behördlichen Genehmigungen sind es, die hoch geblieben sind. Hier befindet sich Griechenland mit den Plätzen 146 und 150 der jeweiligen Weltbank-Subindikatoren - in guter Gesellschaft mit Ländern wie Malawi, Uganda und Simbabwe.
Zurück in die Reihe der Industrienationen
Diese Markteintrittsbarrieren weisen auf verkrustete Wettbewerbsstrukturen hin und schließen den ungehinderten Eintritt neuer Unternehmen weitgehend aus. Ein wenig besser bestellt ist es um die Durchsetzbarkeit von Verträgen: Griechenland belegt hier Platz 87, für ein Eurozonen-Land der ersten Stunde dennoch ein beschämender Wert. In wesentlichen Teilbereichen sehen sich somit Investoren und Innovatoren, die ihre Ideen zu kommerzialisieren trachten, immer noch unkalkulierbaren Risiken und zusätzlichen Kosten ausgesetzt, die sie eben vor Investitionen in diesem Land zurückschrecken lassen.Will also die griechische Regierung das unternehmerische Potential ihrer Landsleute besser nutzen, die notwendige Privatisierung staatlicher Betriebe ernsthaft vorantreiben und Auslandsinvestitionen ins Land locken, so wird sie ihre Reformen fortsetzen und die Bürokratie- und Regulierungsdichte reduzieren müssen. Dass sich solche Reformen realisieren lassen, haben Länder wie Irland und zuletzt Polen vorgemacht, deren Ökonomien - bei allen Rückschlägen in der Euro-Krise - von diesen Reformen profitiert haben.
Nun hat sich die griechische Regierung durch die Schließung des Staatsrundfunks unnötigerweise selbst geschwächt. Bleibt nur zu hoffen, dass sie für die weiteren Reformen noch die Kraft hat, um im MSCI-Index wieder den Weg zurück zu den Industrienationen zu finden.
***Der Autor Alexander Kritikos ist Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.
http://www.faz.net
9/7/13
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Europas Patienten machen nur mühsam Fortschritte ....
ReplyDeleteDie Euro-Krise hat sich beruhigt, doch ausgestanden ist sie nicht. In einigen Ländern gehen die Reformen voran, in anderen stocken sie – und in einem scheint alle Hoffnung verloren. Ein Überblick.
Die Euro-Finanzminister haben beschlossen, Lettland am 1. Januar 2014 zu einem Mitglied der Währungsunion zu machen. Trotz der schwelenden Schuldenkrise in der Euro-Zone und der Unsicherheit über die Zukunft der Währungsgemeinschaft hat die lettische Regierung in den vergangenen Jahren am Ziel des Euro-Beitritts festgehalten.
Der Preis dafür war hoch: In der Finanzkrise und nach dem Platzen einer Immobilienblase im eigenen Land verzichtete die Regierung darauf, die heimische Währung Lats abzuwerten und die Bindung an den Euro aufzugeben.
Stattdessen hat sie im eigenen Land ein hartes Sparprogramm durchgesetzt. Bis zuletzt trug die Bevölkerungsmehrheit diesen Kurs nur widerwillig mit, in Umfragen sprach sich die Mehrheit der Letten lange gegen einen Beitritt zur Euro-Zone aus.......http://www.welt.de/wirtschaft/article117924049/Europas-Patienten-machen-nur-muehsam-Fortschritte.html
11/7/13
Rückkehr zur Drachme?... Alternativen für Griechenland ...
ReplyDeleteZwei neue Parteien wollen Griechenland aus der Eurozone und zurück zur Drachme führen. Eine davon leitet der politische Ziehvater von Oppositionsführer Alexis Tsipras. Darüber freut sich vor allem Ministerpräsident Antonis Samaras.
Wäre die Welt so einfach, wie der griechische Oppositionsführer Alexis Tsipras sie seinen Anhängern auslegt, in Griechenland wäre alles in bester Ordnung. Im vergangenen Sommer, während der Kampagne zur Parlamentswahl, versprach der Athener Krisenmatador, als Ministerpräsident werde er den Geldgebern des Landes „aggressive Neuverhandlungen“ aufzwingen und sie so zu Zugeständnissen nötigen.
Seine Botschaft war verführerisch: Bleibt Athen stark, wird Berlin schwach. Es werde wieder Löhne wie zu Vorkrisenzeiten geben, die Schulden des Landes würden gestrichen. Knapp 27 Prozent der Wähler schenkten Tsipras Glauben - oder zumindest ihre Stimme. Nur knapp verfehlte sein Linksbündnis „Syriza“ das Ziel, stärkste Kraft zu werden.
Ausgerechnet Tsipras’ Entdecker und politischer Ziehvater übt nun jedoch Kritik an der holzschnittartigen Krisenlogik von Syriza und ihrem Chef. „Es gibt in Griechenland die vor allem von Syriza unterstützte Ansicht, dass wir mit einer Regierung, die härter mit den Geldgebern verhandeln würde, viel besser dastünden. Zu glauben, man müsse nur auf den Tisch hauen und bekomme dann alles, ist aber naiv. So funktioniert es nicht“, stellt Alavanos fest.
Alekos Alavanos war Tsipras’ Vorgänger an der Spitze von Syriza. Da er seit Jahrzehnten eine Galionsfigur der griechischen Linken ist, kann die Partei ihn nun schlecht als reaktionären Steigbügelhalter des Großkapitals abstempeln, wie sie es sonst gern tut mit ihren Kritikern. Die Behauptung, wenn Athen hart bleibe, könne es die Eurozone in die Knie zwingen, werde durch den Fall Zypern widerlegt, hält Alavanos seinem Nachfolger vor: „Zypern startete mit der denkbar härtesten Verhandlungsposition.
„Plan B“ für Athen
Bei der Abstimmung über das erste Memorandum mit der Troika stimmte das gesamte Parlament mit Nein oder enthielt sich, was einer Ablehnung gleichkam. In Griechenland wurde damals gejubelt. Zypern schien zu zeigen, dass auch kleine Staaten Verhandlungsmacht haben. Aber wir haben ja gesehen, was danach geschah.“ Danach geschah nämlich das Gegenteil von dem, was Tsipras als Ziel „aggressiver Neuverhandlungen“ ausgibt: Die Europäische Zentralbank kündigte an, sie werde Zyperns Banken von der für sie existentiellen Notfall-Liquiditätsversorgung abschneiden, füge Nikosia sich nicht. „Das Ergebnis nach einer Woche war für Zypern in vielerlei Hinsicht schlechter als die erste Lösung. Es war eine Katastrophe“, resümiert Alavanos. Im Mai, etwa sechs Wochen nach dem zyprischen Drama, hat er „Plan B“ gegründet, seine eigene Partei. Sie tritt gemäßigter auf als Syriza, ist aber eigentlich radikaler. Tsipras ruft zwar zum Aufstand gegen das vermeintliche deutsche Spardiktat auf und forderte auch einmal, die Unterhändler der Troika zu ignorieren, wenn sie nach Athen kommen, beharrt aber stets auf Griechenlands Mitgliedschaft in der Eurozone.....http://www.faz.net/frankfurter-allgemeine-zeitung/rueckkehr-zur-drachme-alternativen-fuer-griechenland-12294825.html
26/7/13