Von Florian Eder
Nun meldet während der
Koalitionsverhandlungen noch ein Partner Wünsche an: Einer, der nicht
auf Ministerämter scharf ist, der auch keine Parteitage zu bestehen hat
und der auch nicht am Verhandlungstisch sitzt: Ein EU-Kommissar hat sich
eingemischt und Reformen angemahnt – solche, die er längst von der
Bundesregierung verlangt hat.
"Diese
Empfehlungen gelten noch immer", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn.
"Ich vertraue darauf, dass die Empfehlungen in den
Koalitionsverhandlungen ernst genommen werden." Für Deutschland stellt
seine Behörde fest: Seit einigen Monaten ist einfach – nichts passiert.
Die Bundesregierung habe "keine Fortschritte" bei der Umsetzung der
Empfehlungen gemacht, die die EU-Kommission bereits im Sommer für jedes
Land abgab und die vom Rat der Finanzminister einmütig gebilligt wurden.
Das Nachprüfen
im Herbst ist eine frisch institutionalisierte Brüsseler Übung: Zum
ersten Mal überhaupt unterzieht die EU-Kommission in diesem Jahr die Haushaltspläne der Mitglieder der Währungsunion einer
Untersuchung und Prüfung. Das Regelwerk soll Fehlentwicklungen
frühzeitig erkennen helfen, in der Fiskal-, aber auch in der
Wirtschaftspolitik.
Die Kommission
hat das Recht, die Budgetpläne sogar zur Neubearbeitung zurückgehen zu
lassen, wenn ihr durch Fehlplanungen die Stabilität der ganzen Euro-Zone
in Gefahr scheint. Sie machte davon zwar in keinem Fall Gebrauch – nahm
ihre Bewertung aber dennoch zum Anlass zu entschiedenen Mahnungen an
die Hauptstädte, eben auch an Berlin.
Berlin muss Schuldenstand zurückfahren
Budgetpolitisch
gab es wenig am Bundeshaushalt 2014 auszusetzen. Rehn machte deutlich,
er habe keine Zweifel, dass Deutschland die Regeln des Stabilitätspakts
zur Neuverschuldung einhalten werde. Er machte auch ausreichende
deutsche Fortschritte dabei aus, den Schuldenstand von heute 81 Prozent
irgendwann auf den vereinbarten Richtwert von 60 Prozent der
Wirtschaftsleistung zu senken – das galt den Gründern der Währungsunion
einmal als Obergrenze langfristiger Stabilität. Das Ziel für
Griechenland liegt, zum Vergleich, bei 120 Prozent im Jahr 2020, und ob
es erreicht werden wird, ist nach wie vor von vielen, sich dauernd
verändernden Faktoren abhängig und daher unsicher.
Für 2013
erwartet die Kommission einen ausgeglichenen Haushalt in Deutschland, im
Vergleich zu den meisten anderen Ländern steht die Bundesrepublik bei
den Staatsfinanzen sehr gut da. Deutschland und das kleine Estland, das
erst in diesem Jahr zur Euro-Zone gestoßen ist, sind die einzigen beiden
der nun überprüften Länder, denen die Kommission einschränkungslos
bescheinigt, ihre Haushaltspläne stünden im Einklang mit den Vorgaben
des Stabilitätspaktes – mit den alten Maastricht-Regeln also und ihren
in der Krise beschlossenen Verschärfungen.
Dennoch sieht
die europäische Koordinierung auch eine Abstimmung der
Wirtschaftspolitik vor, jedenfalls soweit sie Auswirkungen auf die
Staatsfinanzen hat. Kommissionsvizepräsident Rehn, ein Liberaler aus
Finnland, wünscht sich ein Reformprogramm von Berlin, das eine Menge
Anspruchsvolles beinhaltet: So soll Berlin "Bedingungen für ein die
Binnennachfrage stützendes Lohnwachstum" aufrechterhalten, wie es die
Empfehlungen vom Sommer formulieren, auf die Rehn nun verweist.
Weniger Steuern für Geringverdiener
Dazu soll die
Bundesregierung die "hohe Steuer- und Abgabenbelastung, insbesondere für
Geringverdiener" senken – die neue Bundesregierung, da die alte im
Wahlkampf nicht mehr dazu kam. Zudem solle die Teilnahme von Frauen am
Arbeitsmarkt durch mehr Möglichkeiten zur Kinderbetreuung gestärkt
werden. "Es gibt strukturelle Hindernisse für die Binnennachfrage",
sagte Rehn.
Am Mittwoch
hatte die EU-Kommission eine eingehende Untersuchung der deutschen
Leistungsbilanz angekündigt. Deutschland hatte über mehrere Jahre
Indikatoren gerissen, die nach europäischen Regeln wegen des heftigen
Exportüberschusses auf ein unausgeglichenes Wirtschaftsmodell hinweisen.
Dabei hatte die Behörde auch auf mangelnde Investitionen in Deutschland
hingewiesen.
Eine
Möglichkeit, das zu ändern, könnte laut den Empfehlungen aus Brüssel
eine Öffnung der Dienstleistungsmärkte sein. Mit der Kritik gemeint ist
etwa der beschränkte Zugang zu manchen Berufen – wie dem Meisterbrief,
ein deutsches Unikum, für das die deutsche Wirtschaft nach Kräften
kämpft. Auch eine weitergehende Liberalisierung des Eisenbahnmarktes
strengt die Kommission seit langem und gegen deutschen Widerstand an.
Andere Länder
kamen bei der Budgetprüfung nicht mit solchen Empfehlungen davon. Die
Empfänger von Hilfskrediten der Euro-Partner sind unter noch strengerer
Überwachung. Aber auch beim Rest hatte Rehn viel zu beanstanden:
Italiens und Spaniens
Haushaltspläne etwa liefen Gefahr, nicht mit EU-Regeln konform zu
gehen. Und noch die mildeste Form der Ermahnung muss Regierungen zu
denken geben: Als "in Einklang mit den Regeln, aber ohne Spielraum" für
nachlassende Reformtätigkeit stufte die Kommission unter anderem die
Niederlande und Frankreich ein.
15/11/13
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